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OLG Frankfurt am Main: Verwirkung einer Vertragsstrafe bei fahrlässig unterbliebener Unterlassung der Löschung von elf Lichtbildern aus bereits abgelaufenen Internetauktionen

Das OLG Frankfurt am Main hat vor kurzem durch Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO entschieden, dass eine Vertragsstrafe nur einmal verwirkt worden ist und bezahlt werden muss, wenn der Schuldner es fahrlässig unterlassen hat, elf zugunsten des Gläubigers geschützte Produktfotos aus bereits abgelaufenen Internetauktionen zu löschen. Das OLG Frankfurt am Main entschied dabei ferner, dass der Berufungskläger auch die Kosten einer Anschlussberufung des Berufungsbeklagten zu tragen hat, nachdem die Anschlussberufung nach § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung wegen des Zurückweisungsbeschlusses hinsichtlich der Berufung des Berufungsklägers verloren hat (OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 10.07.2013 – Az.: 11 U 28/12).

Der Kläger begehrte vor Gericht die Zahlung einer Vertragsstrafe wegen unbefugter Verwendung von elf Lichtbildern. Die Beklagte hatte bei insgesamt elf Internetauktionen unbefugt vom Kläger hergestellte Produktfotos verwendet. Auf eine Abmahnung des Klägers hin gab die Beklagte am 12.07.2011 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hinsichtlich der weiteren Verwendung der elf Produktbilder ab, in der sie sich für den Fall einer schuldhaften Zuwiderhandlung zur Zahlung einer angemessenen Vertragsstrafe bis zu 5.000 Euro verpflichtete. Am 21.07.2011 waren die streitgegenständlichen Produktfotos nach wie vor in den zwischenzeitlich abgelaufenen elf Internetauktionen der Beklagten zu sehen. Der Kläger ließ die Beklagte daraufhin erneut abmahnen und forderte eine Vertragsstrafe in Höhe von 55.000 Euro für die elfmalige Verletzung des Unterlassungsvertrages zuzüglich Anwaltskosten. Die Beklagte hatte auf die erste Abmahnung insgesamt 8.730 Euro und auf die zweite Abmahnung 5.000 Euro gezahlt. Die Zahlung der 5.000 Euro sollte die Erfüllung für die Verwirkung einer einzigen Vertragsstrafe sein. Google

Mit der Klage hat der Kläger weitere Vertragsstrafzahlungen von insgesamt 50.000 Euro für angebliche zehn weitere Verwirkungen einer Vertragsstrafe geltend gemacht. Ferner begehrte er 1.780,20 Euro zur Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Beklagte hatte widerklagend Rückzahlung von 8.420 Euro begehrt.

Das Landgericht hatte der Klage in Höhe von 1.780,20 Euro stattgegeben und im Übrigen Klage und Widerklage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Zahlungsanspruch auf Zahlung weiterer 50.000 Euro in vollem Umfang weiter. Die Beklagte verteidigte das erstinstanzliche Urteil, soweit die Klage abgewiesen wurde. Im Übrigen hat sie Anschlussberufung eingelegt, mit der sie ihrerseits ihre erstinstanzlichen Anträge zu Klage und Widerklage in vollem Umfang weiterverfolgt.

Das OLG Frankfurt am Main hat nun die Berufung des Klägers nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, weil die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hätte, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hätte und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordere.

Das OLG Frankfurt am Main stützt seine Entscheidung insbesondere auf folgende Gründe:

– Es ginge vorliegend nicht darum, dass die Beklagte elf Fotos neu in Internetauktionen eingestellt hat und dadurch für jedes Foto das Urheberrecht des Klägers verletzt hat, sondern darum, dass ein bereits bestehender rechtswidriger Zustand perpetuiert wurde, weil die Beklagte eine einzige ihr zur Abstellung des rechtsverletzenden Zustandes obliegende Handlung unterlassen habe, alle streitgegenständlichen Fotos aus den Internetauktionen entfernen zu lassen. Hierzu hätte es lediglich eines einzigen Willensentschlusses bedurft, den die Beklagte aus fahrlässiger Unkenntnis der Tatsachenlage nicht getroffen hat. Im Hinblick darauf, dass hier von einer natürlichen Handlungseinheit auszugehen sei, komme es vorliegend auch nicht darauf an, ob bei interessengerechter Auslegung der Vertragsstrafenklausel mehrere Handlungen des Verletzers (wie z. B. das Einstellen mehrerer Fotos) als eine einzige Zuwiderhandlung zu betrachten wären. Der Vertragsstrafenanspruch knüpfe an eine schuldhafte Zuwiderhandlung durch die Beklagte an. Elf Vertragsstrafen wären nur dann verwirkt, wenn elf Zuwiderhandlungen vorlägen, für die es elf verschiedener Handlungsentschlüsse bedurft hätte. Die Beklagte hätte aber gerade nicht in jedem der elf Fälle einen Entschluss gefasst, die Löschung zu veranlassen oder nicht, und diese Entschlüsse sodann durch entsprechende Handlungen oder Unterlassungen umgesetzt, sondern sie hätte letztlich überhaupt keinen Entschluss gefasst. Der rechtliche Vorwurf an die Beklagte beschränke sich darauf, dass sie sich entsprechend hätte kundig machen müssen und so die Fortexistenz der beendeten Internetauktionen und deren Einsehbarkeit auch nach ihrem Abschluss hätten kennen können. Dies rechtfertige jedoch nur den Vorwurf einer einzigen Zuwiderhandlung gegen die Vertragsstrafenvereinbarung.

– Das OLG Frankfurt musste dann auch noch die rechtlich umstrittene Frage entscheiden, welche Partei die Kosten der infolge des Zurückweisungsbeschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO unwirksam gewordenen Anschlussberufung (siehe § 524 Abs. 4 ZPO) zu zahlen hat. Das OLG Frankfurt am Main schloss sich der auch von anderen Senaten des OLG Frankfurt am Main vertretenen Auffassung an, wonach grundsätzlich der Berufungskläger in vollem Umfang die Kosten der Anschlussberufung zu tragen hatweil nur dadurch Widersprüche bei der praktischen Handhabung des Beschlussverfahrens gem. § 522 Abs. 2 ZPO vermieden werden könnten. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seien einem Berufungskläger die Kosten einer zulässig erhobenen Anschlussberufung aufzuerlegen, wenn diese nach § 524 Abs. 4 ZPO durch eine Rücknahme der Berufung gem. § 516 ZPO wirkungslos geworden ist. Diese Kostenregelung gelte nach der BGH-Rechtsprechung auch dann, wenn die Berufung nach einem Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgenommen wird. Würde man in den Fällen, in denen der Berufungskläger auf einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO die Berufung nicht zurücknimmt, sondern ein Zurückweisungsbeschluss ergeht, den Berufungskläger generell von den Kosten der Anschlussberufung freistellen, dann wäre nach Auffassung des OLG Frankfurt am Main die vom Gesetzgeber gewollte kostenmäßige Privilegierung einer Berufungsrücknahme (durch Ermäßigung der Gerichtsgebühren) und der damit verbundene Zweck einer Entlastung der Gerichte konterkariert. Denn bei einem entsprechend hohen anteiligen Wert der Anschlussberufung wäre derjenige kostenmäßig privilegiert, der entgegen dieser Intention des Gesetzgebers trotz fehlender Erfolgsaussicht an seinem Rechtsmittel festhält. Das OLG Frankfurt am Main deutet dann am Ende seiner Entscheidung an, dass in Fällen einer rechtsmissbräuchlichen Einlegung des Anschlussrechtsmittels möglicherweise anders zu entscheiden wäre.