Litigationblog

OLG Frankfurt a. M.: Zum Schutzumfang eines Geschmacksmusters und des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes für einen Thermobecher

Das OLG Frankfurt am Main hatte vor kurzem entschieden, dass es für die Ermittlung des Schutzumfangs eines als Geschmacksmuster eingetragenen Erzeugnisses (hier: „Thermobecher”) auf den Offenbarungsgehalt der hinterlegten Abbildung – so wie er sich für den informierten Benutzer ergibt – ankommt. Kommt einem Trinkgefäß aufgrund wettbewerblicher Eigenart zudem ergänzender wettbewerblicher Leistungsschutz zu, erstreckt sich dieser zusätzlich zum Geschmacksmusterschutz mögliche wettbewerbliche Schutz nach Auffassung des OLG Frankfurt am Main jedenfalls nicht auf solche Erzeugnisse, die die Merkmale, welche für die wettbewerbliche Eigenart von Bedeutung sind, gerade nicht aufweisen (OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 20.06.2013 – Az.: 6 U 108/12).

Die Klage verfolgte im vorliegenden Fall das Ziel, es der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, bestimmte doppelwandige Gläser / Thermobecher anzubieten oder in den Verkehr zu bringen. Außerdem verlangte die Klägerin Auskunft und Schadensersatzfeststellung. Gestützt war die Klage in erster Linie auf bestimmte Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Hilfsweise stützte die Klägerin ihre Klage auf ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz gemäß § 4 Nr. 9a UWG.

Das LG Frankfurt am Main hatte in der ersten Instanz der Klage noch stattgegeben, allerdings lediglich auf der Grundlage eines ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes nach § 4 Nr. 9 UWG. Das Bestehen geschmacksmusterrechtlicher Ansprüche hatte das Landgericht Frankfurt am Main hingegen verneint. Das OLG Frankfurt am Main hob das Urteil des LG Frankfurt am Main im vorliegenden Fall auf und wies die Klage insgesamt ab.

Das OLG Frankfurt am Main stützt sein Urteil insbesondere auf folgende Erwägungen: Im vorliegenden Verletzungsverfahren sei gemäß Art. 85 Abs. 1 Satz 1 der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (GGV) von der Rechtsgültigkeit der eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster und damit vom Vorliegen der Schutzvoraussetzungen (Art. 4 Abs. 1 GGV), der Neuheit (Art. 5 GGV) und Eigenart (Art. 6 GGV) sowie vom Fehlen von Schutzausschließungsgründen (Art. 8, 9 GGV) auszugehen. Das Klagemuster sei jedoch nicht verletzt worden, weil die angegriffene Ausführungsform der Beklagten nicht in den Schutzbereich des Klagemusters falle. Google

Der Schutzumfang eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters erstrecke sich nach Art. 10 GGV auf jedes Geschmacksmuster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt. Bei der Bestimmung des Schutzumfanges sei – ebenso wie bei der Bestimmung der Eigenart – der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers des Klagemusters bei der Entwicklung seines Geschmacksmusters zu berücksichtigen. Dabei bestehe zwischen dem Gestaltungsspielraum des Entwerfers und dem Schutzumfang des Musters eine Wechselwirkung. Eine hohe Musterdichte und damit ein kleiner Gestaltungsspielraum des Entwerfers würden zu einem engen Schutzumfang des Musters führen, mit der Folge, dass bereits geringe Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck hervorrufen könnten. Dagegen würde eine geringe Musterdichte und damit ein großer Gestaltungsspielraum des Entwerfers zu einem weiten Schutzumfang des Musters führen, so dass selbst größere Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer möglicherweise keinen anderen Gesamteindruck erwecken würden.

Das OLG Frankfurt am Main folgte ferner der ständigen Rechtsprechung bei der Definition der fiktiven Gestalt des „informierten Benutzers“ im Sinne von Art. 10 GGV. Dies sei eine Person, dessen Kenntnisse zwischen denen eines Durchschnittsverbrauchers und denen eines Fachmannes anzusiedeln sind.

In zeitlicher Hinsicht sei für die Bestimmung des Schutzumfanges der Prioritätstag maßgeblich. Es könne zugunsten der Klägerin im vorliegenden Fall unterstellt werden, dass zum damaligen Zeitpunkt eine geringe Musterdichte und damit ein großer Gestaltungsspielraum vorhanden war, der zu einem vergleichbar großen Schutzumfang führen könne.

Das OLG Frankfurt am Main nahm ferner dazu Stellung, inwiefern die farbliche Gestaltung des Thermobechers der Klägerin im vorliegenden Fall berücksichtigt werden könne. Nach Auffassung des OLG Frankfurt am Main fiel die farbliche Gestaltung des Klagemusters im vorliegenden Fall erheblich ins Gewicht. Grund dafür war, dass die Formelemente des Thermobechers der Klägerin sehr zurückhaltend gestaltet worden waren. Der Gesamteindruck des Klagemusters werde maßgeblich bestimmt durch den Farbkontrast zwischen äußerem und innerem Becher sowie der sich nach oben verjüngende Abstand zwischen diesen Wänden. Der von der Beklagten angebotene Becher weise einen solchen Gesamteindruck gerade nicht auf. Das OLG Frankfurt am Main lehnte deshalb geschmacksmusterrechtliche Ansprüche der Klägerin ab.

Das OLG Frankfurt am Main lehnte dann auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche der Klägerin aus § 4 Nr. 9a UWG ab. Das OLG Frankfurt am Main betonte zunächst, dass Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz wegen vermeidbarer Herkunftstäuschung (§ 4 Nr. 9a UWG) durch ein eingetragenes Geschmacksmuster nicht verdrängt werden, weil sich die Vorschriften über den ergänzenden Leistungsschutz gegen ein unlauteres Wettbewerbsverhalten richten, das in der vermeidbaren Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft der Produkte liege, während die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung ein bestimmtes Leistungsergebnis schütze.

Ob der Tatbestand des § 4 Nr. 9a UWG erfüllt ist, hänge von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls ab, wobei zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Intensität der Nachahmung und den besonderen wettbewerblichen Umständen eine Wechselwirkung bestehe. Die Anforderungen an ein Merkmal würden davon abhängen, in welchem Maße die anderen beiden Tatbestandsmerkmale verwirklicht sind.

Dem Thermobecher der Klägerin komme eine wenn auch schwache wettbewerbliche Eigenart zu, weil der innere Becher trichterförmig ausgebildet sei und daher am oberen Rand mit dem äußeren Becher in einem sich verjüngendem Abstand zusammentreffe. Die Doppelwandigkeit sei mithin in einer Art und Weise realisiert worden, die einen gewissen Pfiff habe und daher bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine Herkunftsvorstellung auslösen könne. Jedoch verwirkliche die angegriffene Ausführungsform der Beklagten dieses Merkmal gerade nicht. Dort würden beide Wände bis zum oberen Rand im Wesentlichen parallel verlaufen. Der Grad der Übereinstimmung zwischen den sich gegenüberstehenden Erzeugnissen sei daher nicht sehr hoch.

Angesichts des geringen Grades der wettbewerblichen Eigenart und der geringen Intensität der Nachahmung seien die Anforderungen an das Vorliegen besonderer wettbewerblicher Umstände deshalb ganz erheblich. Solche könnten in diesem Fall nur in der vermeidbaren Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft des Erzeugnisses liegen. Erforderlich sei dafür ein sehr hoher Grad an Bekanntheit bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise. Das OLG Frankfurt am Main verneinte im vorliegenden Fall einen sehr hohen Grad der Bekanntheit des Thermobechers der Klägerin und damit auch einen Anspruch der Klägerin aus § 4 Nr. 9a UWG.

Das OLG Frankfurt am Main hat die Revision zum BGH nicht zugelassen.