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Litigationblog

Oberlandesgericht München: Ein Geschäftsführer kann die Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots vor Aufnahme der beabsichtigten Konkurrenztätigkeit im Wege der einstweiligen Verfügung geltend machen (Beschluss vom 02.08.2018)

Ein Geschäftsführer darf zu der Gesellschaft, bei der er angestellt ist, während der Dauer seiner Tätigkeit grundsätzlich nicht in Wettbewerb treten. Ein Wettbewerbsverbot besteht auch ohne ausdrückliche Vereinbarung. Denn bereits die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht gebietet dem Geschäftsführer während seiner Amtszeit im Tätigkeitsbereich der Gesellschaft weitgehende unternehmerische Enthaltsamkeit. Sinnvollerweise werden die noch zulässigen Betätigungen des Geschäftsführers im Anstellungsvertrag im Einzelnen bestimmt, um für beide Seiten Klarheit zu schaffen.

Die Rechtslage bei den sogenannten nachvertraglichen Wettbewerbsverboten von Geschäftsführern ist hingegen sehr komplex. Diese Wettbewerbsverbote erfassen etwaige Konkurrenztätigkeiten nach Beendigung des Anstellungsvertrages bzw. nach Beendigung der Geschäftsführerstellung. Der Geschäftsführer kann für die Zeit nach seiner Anstellung bei einer Gesellschaft grundsätzlich nur dann einem Wettbewerbsverbot unterliegen, wenn der Konkurrenzschutz vertraglich geregelt ist. Gemäß § 74a Handelsgesetzbuch ist das Wettbewerbsverbot insoweit verbindlich, als es nur zum Schutze eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Prinzipals dient. Will sich also die GmbH im nachvertraglichen Bereich vor Konkurrenz ihres dann ehemaligen Geschäftsführers schützen, muss sie dies mit ihm vertraglich vereinbaren. Dabei kann sich das Wettbewerbsverbot bei Fremdgeschäftsführern, also solchen Geschäftsführern, die keine Gesellschaftsanteile der GmbH halten, aus dem Anstellungsvertrag ergeben. Zu dieser Thematik führte das Oberlandesgericht München in seiner Rechtsprechung was folgt aus:

Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, mit dem einem Fremdgeschäftsführer die Tätigkeit für potentielle Konkurrenzunternehmen „in jeglicher Weise“ untersagt werden soll, ist mangels schutzwürdiger Interessen der Gesellschaft unwirksam.

Der Geschäftsführer kann die Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots vor Aufnahme der beabsichtigten Konkurrenztätigkeit im Wege der einstweiligen Verfügung geltend machen.

Im zu entscheidenden Fall ging es darum, dass der Geschäftsführer einer GmbH im direkten Anschluss an seine damalige Position, nämlich ab dem 01.08.2018, als Geschäftsführer eines Konkurrenzunternehmens tätig werden wollte. Die GmbH, die u. a. hochwertige Marken-Brillengläser und Marken-Brillenfassungen produzierte und vertrieb, hatte mit dem Geschäftsführer am 05.02.2016 ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit folgender Reichweite vereinbart:

„Der Geschäftsführer verpflichtet sich, für die Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Anstellungsvertrages weder in selbständiger noch unselbstständiger Stellung oder in sonstiger Weise für ein Konkurrenzunternehmen der Gesellschaft tätig zu werden (einschließlich Übernahme einer Organstellung o. ä.).“

Nach der Rechtsprechung des BGH gelten die Bestimmungen nachvertraglicher Wettbewerbsverbote zum Nachteil des Arbeitnehmers nicht für Organe von Gesellschaftern und damit auch nicht für etwaig führende Gesellschafter oder Organe einer Aktiengesellschaft. Dies gilt auch dann, wenn es sich um sogenannte „Fremdgeschäftsführer“ handelt, die häufig de facto einen arbeitnehmerähnlichen Status haben. Im oben zitierten BGH-Urteil war der Geschäftsführer der GmbH als Fremdgeschäftsführer tätig.

Das OLG München bestätigte im vorliegenden Beschluss, dass der Geschäftsführer im Konkurrenzunternehmen tätig werden dürfe. Ein allumfassendes Verbot – die Untersagung “in jeglicher Weise” tätig zu werden – sei zu weit gefasst und nach § 138 BGB nichtig. Die Grenze der Ausgestaltung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots für GmbH-Geschäftsführer bewege sich dabei auch in den Grenzen des § 138 BGB. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot für Geschäftsführer einer GmbH sei nach der Rechtsprechung des BGH als sittenwidrig und damit als nichtig zu werten, wenn es nicht den berechtigten Interessen der GmbH diene. Die Interessen der GmbH müssten sich konkret in der Reichweite des Verbots widerspiegeln. Im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH nimmt das Oberlandesgericht München die Gesamtnichtigkeit eines zu weitreichenden „Verbots“ an. Bei einem weitreichenden Konkurrenzverbot würden sämtliche Tätigkeiten im Konkurrenzunternehmen entfallen. Sogar jene, die zu der früheren Tätigkeit keine Bezüge aufwiesen und daher nicht von berechtigten Interessen der GmbH gedeckt wären. Im vorliegenden Fall würde ein solches Verbot sogar bedeuten, dass der ehemalige Geschäftsführer nicht einmal als Hausmeister tätig sein dürfe.

Welchen Umfang haben nachvertraglicher Wettbewerbsverbote?

Nach der Rechtsprechung muss ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot auf das notwendige Maß beschränkt werden, um die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Geschäftsführers nicht unverhältnismäßig zu beschneiden. Vor allem muss die Gesellschaft ein berechtigtes Interesse darlegen können, beispielsweise den Schutz von Kunden- und Geschäftsbeziehungen. Zudem muss ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gegenständlich, räumlich und zeitlich begrenzt sein.

Das Verbot ist nur dann nicht sittenwidrig, wenn es das notwendige Maß in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht nicht überschreitet. Dies ist (angelehnt an § 74a Abs. 1 HGB) in zwei Stufen zu prüfen: Das Verbot muss (1.) einem berechtigten geschäftlichen Interesse der Gesellschaft dienen. Ist dies der Fall, darf es (2.) die wirtschaftliche Tätigkeit des Geschäftsführer nach Ort, Zeit und Gegenstand der Berufsausübung nicht unbillig erschweren. Ist das Verbot zu weit gefasst, ist es nichtig, sofern eine Dauer von über zwei Jahren vereinbart wurde.

Nach herrschender Meinung können nachvertragliche Wettbewerbsverbote nicht beliebig vereinbart werden. Sie sollen in zweierlei Hinsicht begrenzt sein: Zum einen soll die Berufsfreiheit der betroffenen Geschäftsführer gemäß Art. 12 GG nicht eingeschränkt werden. Zum anderen sollen Wettbewerbsverbote nicht zu einer unbilligen Einschränkung des Wettbewerbs (§ 1 GWB) auf dem betroffenen Markt führen.

Hiervon ausgehend ist im Ausgangspunkt eine Interessenabwägung zwischen dem berechtigten Interesse des Unternehmens am Schutz seines Geschäftsbetriebes, seiner Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und seines Know-hows und dem berechtigten Interesse des dann ehemaligen Geschäftsführers an der Gestaltung seiner beruflichen Zukunft und der Sicherung seines Lebensunterhaltes vorzunehmen.

Hinsichtlich des Umfangs des Wettbewerbsverbotes wird in der Praxis zumeist zwischen allgemeinen Wettbewerbsverboten einschließlich Beteiligungsverboten, Wettbewerberklauseln, Mitarbeiterabwerbeverboten, Kundenschutzklauseln und Know-how-Schutzklauseln unterschieden.

Was können beide Seiten aus dem vorliegenden Beschluss mitnehmen?

Es gibt sehr viele nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die die Anforderungen der Gerichte nicht erfüllen. Der Geschäftsführer kann in diesem Fall mit guten Erfolgsaussichten gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot vorgehen.

Jedem Unternehmen ist zu empfehlen, vorab für sich festzulegen und dann mit dem Geschäftsführer zu klären, welche Tätigkeitsbeschränkungen nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft gelten sollen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Geschäftsführer an der Gesellschaft auch als Gesellschafter beteiligt ist. Der Beschluss des OLG München mahnt aber zur Vorsicht und Sorgfalt: Der Verbotsgegenstand ist möglichst konkret zu formulieren. Die Frage der inhaltlichen Ausgestaltung wird jedoch in der Praxis eher vernachlässigt. Um auf der sicheren Seite zu sein, ist bei der konkreten Ausgestaltung des Verbots große Sorgfalt gefordert.