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Markenstreitverfahren in Deutschland

1. Zweiteilung der Zuständigkeiten

Die gerichtlichen Verfahren in Kennzeichenstreitsachen werden in Deutschland in der ersten Instanz von zwei unterschiedlichen Gerichten entschieden: Entweder vom Bundespatentgericht in München oder von einer Kammer für Handelssachen bei einem örtlich zuständigen Landgericht. Diese Zweiteilung hat in Deutschland lange Tradition und beruht darauf, dass Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) von einem besonders dafür geschaffenen Gericht, nämlich dem Bundespatentgericht, überprüft werden sollen. Das Bundespatentgericht ist dafür am 01. Juli 1961 errichtet worden. Alle anderen Kennzeichenstreitigkeiten werden in der ersten Instanz hingegen von einer Kammer für Handelssachen bei einem örtlich zuständigen Landgericht entschieden, die neben Kennzeichenstreitsachen auch andere Streitigkeiten in den Bereichen Handel und Gewerbe entscheiden (siehe im Einzelnen §§ 93 ff. Gerichtsverfassungsgesetz). Google

2. Bundespatentgericht: Zuständigkeit und Verfahren

a) Zuständigkeit

Das Bundespatentgericht in München ist immer dann zuständig, wenn ein Betroffener Beschlüsse der Markenstellen und Markenabteilungen des Deutschen Patent- und Markenamtes überprüfen lassen will (siehe § 66 Abs. 1 MarkenG). Zu solchen durch das Bundespatentgericht überprüfbaren Beschlüssen der Markenstellen und Markenabteilungen des Deutschen Patent- und Markenamtes kann es insbesondere in folgenden Konstellationen kommen:

  • Antrag auf Löschung einer eingetragenen Marke wegen Vorliegens eines absoluten Schutzhindernisses (siehe § 54 MarkenG in Verbindung mit § 50 MarkenG):
    Jedermann kann einen Antrag beim Deutschen Patent- und Markenamt auf Löschung einer eingetragenen Marke stellen, sofern die Marke aus Sicht des Antragstellers entgegen §§ 3, 7 oder 8 MarkenG eingetragen worden ist. Der Antragsteller trägt insoweit vor, dass das Deutschen Patent- und Markenamt die Marke gar nicht hätte eintragen dürfen, da die Eintragung der Marke gegen eine Bestimmung der §§ 3, 7, 8 MarkenG verstoßen hat. Im Falle des § 3 MarkenG hätte das Deutschen Patent- und Markenamt ein schon gar nicht schutzfähiges Zeichen als Marke im Register eingetragen. Im Falle des § 7 MarkenG hätte das Deutschen Patent- und Markenamt eine Person als Inhaber der Marke im Register eingetragen, die abstrakt gar nicht markenrechtsfähig im Sinne des § 7 MarkenG ist. Und im Falle des § 8 MarkenG hätte Deutschen Patent- und Markenamt eine Marke im Register eingetragen, obwohl ihr ein absolutes Schutzhindernis im Sinne des § 8 Abs. 2 MarkenG entgegensteht. Ein solches absolutes Schutzhindernis gegen die Eintragung besteht z. B. gegen eine Marke, der jegliche Unterscheidungskraft fehlt (siehe § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) oder die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können (siehe § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
  • Widerspruchsverfahren (siehe §§ 42 f. MarkenG):
    Innerhalb einer Frist von drei Monaten nach dem Tag der Veröffentlichung der Eintragung einer Marke gemäß § 41 MarkenG kann von dem Inhaber einer Marke mit älterem Zeitrang gegen die Eintragung einer prioritätsjüngeren Marke Widerspruch erhoben werden (siehe § 42 Abs. 1 MarkenG). Gegen die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts im Widerspruchsverfahren kann ebenfalls Beschwerde beim Bundespatentgericht eingelegt werden.
  • Das Deutsche Patent- und Markenamt lehnt die Eintragung einer angemeldeten Marke durch Beschluss ab:
    Durch eine Beschwerde beim Bundespatentgericht kann der Markenanmelder die Eintragung der angemeldeten Marke doch noch erzwingen, sofern die Eintragungsvoraussetzungen vorliegen.

b) Verfahren

aa) Vorschriften für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht sind in den §§ 66 bis 82 MarkenG enthalten. Das Bundespatentgericht ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Siehe § 73 Abs. 1 MarkenG. Hierdurch unterscheidet sich das Verfahren des Bundespatentgerichts deutlich von gerichtlichen Verfahren vor einer Kammer für Handelssachen bei einem Landgericht. Eine Kammer für Handelssachen darf nur solche Tatsachen berücksichtigen, die von den Parteien auch vorgetragen worden sind. Eine Kammer für Handelssachen darf nicht auf eigene Faust den Sachverhalt ermitteln, wie das das Bundespatentgericht darf.

bb) Eine mündliche Verhandlung vor dem Bundespatentgericht findet nur dann statt, wenn einer der Beteiligten sie beantragt, vor dem Bundespatentgericht Beweis erhoben wird (§ 74 Abs. 1 MarkenG) oder das Bundespatentgericht sie für sachdienlich erachtet. Siehe § 69 MarkenG. Auch darin unterscheidet sich das Verfahren vor dem Bundespatentgericht von dem Verfahren vor einer Kammer für Handelssachen bei einem Landgericht. Bei einer Kammer für Handelssachen wird grundsätzlich stets nur auf der Grundlage einer mündlichen Verhandlung entschieden.

cc) Da das Bundespatentgericht von Amts wegen ermittelt, ist es an die Beweismittel des Strengbeweises in einem Zivilverfahren nicht gebunden. Das Bundespatentgericht ist in der Auswahl seiner Beweismittel nicht beschränkt. Das Bundespatentgericht kann insbesondere Augenschein einnehmen, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernehmen und Urkunden heranziehen (siehe § 74 Abs. 1 MarkenG). Im Übrigen kann das Bundespatentgericht z. B. amtliche Auskünfte von Behörden oder anderen Gerichten einholen.

3. Kammer für Handelssachen bei einem Landgericht: Zuständigkeit und Verfahren

a) Zuständigkeit

aa) Ausschließlich sachlich zuständig ist in der ersten Instanz ohne Rücksicht auf den Streitwert stets das Landgericht (siehe § 140 Abs. 1 MarkenG). Innerhalb des Landgerichts funktional für Kennzeichenstreitsachen zuständig ist eine Kammer für Handelssachen. Hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit hat der Bundesgesetzgeber die Landesregierungen ermächtigt, Zuständigkeitskonzentrationen bei bestimmten Landgerichten innerhalb des betreffenden Bundeslandes vorzunehmen (siehe § 140 Abs. 2 MarkenG). Die Landesregierungen haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Siehe z. B. die Kommentierung bei Fezer, Markenrecht, 4. Auflage (2009), § 140 RdNr. 13 bis 30. Beispielsweise in Hessen ist für Kennzeichenstreitsachen stets ausschließlich das Landgericht Frankfurt am Main zuständig.

bb) Die Kammer für Handelssachen bei dem betreffenden örtlich zuständigen Landgericht – und nicht das Bundespatentgericht – ist dabei insbesondere in folgenden Konstellationen und für folgende Anspruchstypen zuständig:

  • Unterlassungsansprüche
  • Auskunftsansprüche
  • Rechnungslegungsansprüche
  • Schadensersatzansprüche: Als Schaden ersetzt verlangen kann der geschädigte Markeninhaber den ihm konkret entstandene Schaden. Alternativ kann der geschädigte Markeninhaber auch den infolge der Markenverletzung durch den Markenverletzer erzielten Gewinn von diesem herausverlangen. Alternativ kann der geschädigte Markeninhaber seinen Schaden auch nach der sog. Lizenzanalogie berechnen. Gemäß der Lizenzanalogie kann der Schadensersatzanspruch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung an den Markeninhaber hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte.
  • Löschungsansprüche hinsichtlich einer eingetragenen Marke wegen Verfalls (§ 49 MarkenG) oder wegen des Bestehens älterer Rechte (§ 51 MarkenG); siehe § 55 MarkenG.
  • Eintragungsbewilligungsklagen gegen den Widersprechenden nach einer Löschung der Marke auf Grund eines Widerspruchs nach § 43 MarkenG; siehe zum Eintragungsbewilligungsverfahren § 44 MarkenG.

b) Verfahren

In einer Kennzeichenstreitsache vor einer Kammer für Handelssachen bei einem Landgericht gelten die entsprechenden Verfahrensregeln nach der Zivilprozessordnung, wie sie auch in jedem anderen Zivilprozess vor den Landgerichten gelten würden. Das Landgericht darf seiner Entscheidung nur denjenigen Sachverhalt zugrunde legen, den die Parteien vorgetragen haben (sog. Beibringungsgrundsatz). Von Amts wegen ermittelt das Landgericht nicht. Die Parteien sind ferner auf die in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Beweismittel beschränkt, nämlich Augenschein (§§ 371 ff. ZPO), Zeugen (§§ 373 ff. ZPO), Sachverständige (§§ 402 ff. ZPO), Urkunden (§§ 415 ff. ZPO) und Parteivernehmung (§§ 445 ff. ZPO). Seine Entscheidungen trifft die Kammer für Handelssachen beim Landgericht grundsätzlich nur auf Grund einer mündlichen Verhandlung (siehe §§ 128 ff. ZPO).

4. Instanzenzug

a) Bundespatentgericht

Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Bundespatentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 66 MarkenG entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluss zugelassen hat. Das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof ist in den §§ 83 bis 90 MarkenG geregelt. Der Bundesgerichtshof ist insoweit die letzte Instanz.

b) Kammer für Handelssachen bei einem Landgericht

Gegen Urteile einer Kammer für Handelssachen bei einem Landgericht kann Berufung beim Oberlandesgericht eingelegt werden. Gegen Urteile der Oberlandesgerichte kann unter bestimmten Voraussetzungen Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt werden. Der Bundesgerichtshof ist auch insoweit die letzte Instanz.

c) Bundesgerichtshof

Beim Bundesgerichtshof finden somit beide Instanzenzüge von Markenstreitsachen in Deutschland ihren Abschluss. In letzter Instanz kann somit der Bundesgerichtshof für eine einheitliche Rechtsprechung in Markenstreitsachen in Deutschland sorgen.