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Landgericht Berlin: Inaugenscheinnahme eines bereits vor über einem Jahr per WhatsApp versendeten Videos widerlegt die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG (Az. 16 O 192/17)

Am 01.08.2017 fand vor dem Landgericht Berlin die mündliche Verhandlung zu einem Eilverfahren statt. Bei den Parteien handelt es sich um Konkurrenten im Bereich der Dach- und Fassadenbeschichtung. Die Gegenseite hatte vor dem Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung gegen unsere Mandantin erwirkt, weil diese mit bestimmten Aussagen angeblich irreführend geworben habe.

Wir haben Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt und damit im Eilverfahren eine mündliche Verhandlung gegen die Antragstellerin vor dem Landgericht Berlin erzwungen. Um im Eilverfahren erfolgreich zu sein, muss der Antragstellerin ihr Anliegen gegen die Antragsgegnerin dringlich sein. In Fällen, in denen unlauterer Wettbewerb (z. B. irreführende Werbung) nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Streit steht, wird die Dringlichkeit nach § 12 Abs. 2 UWG grundsätzlich vermutet. Die Antragsgegnerseite darf die gesetzlich vermutete Dringlichkeit jedoch durch Glaubhaftmachungsmittel widerlegen.

Wir zeigten dem Landgericht Berlin erstmals in der mündlichen Verhandlung auf dem Smartphone unserer Mandantschaft ein Video, das unsere Mandantin der Antragstellerin bereits vor über einem Jahr mit Hilfe des Instant-Messaging-Dienstes WhatsApp geschickt hatte. In dem Video war das Werbematerial unserer Mandantin zu sehen, das die streitgegenständlichen Werbeaussagen enthielt. Das Landgericht Berlin ließ die Inaugenscheinnahme dieses Videos zu und hielt dieses Video zur Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung für ausreichend. Wer zu bestimmten Fragen über ein Jahr zuwartet, um dann diesbezüglich eilig gegen jemand anderen vorzugehen, macht selbst deutlich, dass ihm die Rechtsdurchsetzung gerade nicht so eilig ist. Dass die Antragstellerin die Existenz dieses Videos schlicht vergessen hatte, entlastete die Antragstellerin nicht.

Das Landgericht Berlin hob die von ihm selbst gegen unsere Mandantin erlassene einstweilige Verfügung wegen der von uns mit Hilfe des WhatsApp-Videos glaubhaft gemachten fehlenden Dringlichkeit wieder auf. Die inhaltlichen Fragen des Falles brauchten nicht mehr geklärt zu werden. Die Gegenseite musste durch Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin alle Kosten des Verfahrens tragen.