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Kurze Einführung: In welchen Situationen darf man wahre Tatsachenbehauptungen über andere nicht gegenüber Dritten behaupten oder verbreiten?

Das Behaupten oder Verbreiten unwahrer Tatsachen über andere ist generell nicht erlaubt und kann als üble Nachrede oder Verleumdung nach §§ 186, 187 StGB bestraft werden. Gemäß diesen Paragrafen wird bestraft, wer in Bezug auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist. E contrario könnte man daraus schlussfolgern, dass wahre Tatsachenbehauptungen generell zulässig sind, auch wenn sie den Betroffenen eher schlecht dastehen lassen. Wahre Tatsachenbehauptungen werden in der Tat grundsätzlich von der Meinungsfreiheit bzw. Äußerungsfreiheit geschützt. Bedeutet das aberdass die Presse über eine bisher geheim gehaltene Beziehung berichten darf? Dass man ein aufgezeichnetes Telefongespräch ohne Kenntnis des Gesprächspartners oder den Inhalt eines gefundenen Tagebuches veröffentlichen darf, sofern es der Wahrheit entspricht?

Die Äußerung einer wahren Tatsache kann nach der Rechtsprechung ausnahmsweise unzulässig sein. Denn die Meinungsfreiheit bzw. Äußerungsfreiheit hat auch Grenzen. Diese Grenzen sind in Art. 5 Abs. 2 GG geregelt. Das Grundrecht findet seine Schranken vor allem in dem Recht der persönlichen Ehre. Wahre Tatsachenbehauptungen können also unzulässig sein, wenn sie Rechtsgüter anderer Personen, konkret deren Allgemeines Persönlichkeitsrecht und ihre Menschenwürde, verletzen. Um das zu entscheiden, ist zunächst zu prüfen, welchen Lebensbereich die Äußerung betrifft. Anschließend sind die miteinander im Widerspruch stehenden Interessen abzuwägen.

Es ist zwischen der Privat-, Intim- und Sozialsphäre zu unterscheiden. Die Privatsphäre genießt höheren Schutz als die Sozialsphäre. Bei Behauptungen über Tatsachen, die aus dem privaten Lebensbereich stammen, ist dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen regelmäßig größeres Gewicht als der Meinungsfreiheit oder dem Informationsinteresse der Allgemeinheit an der Veröffentlichung der wahren Tatsachen zuzuerkennen. Besonders geschützt ist die Intimsphäre. Wenn die Tatsachen aus dem Intimbereich des Betroffenen stammen, sind solche Äußerungen intimer Umstände über andere in aller Regel zu unterlassen. Beispiele sind unerlaubte Veröffentlichungen aus einem privaten Tagebuch oder die Veröffentlichung eines heimlich mitgeschnittenen Telefongesprächs.

Es muss aber zwischen den Bereichen vorsichtig differenziert werden. Das, was auf den ersten Blick zu der Intimsphäre gehört, wird nicht immer absolut geschützt. Der Bundesgerichtshof hat beispielsweise entschieden, dass durch eine Berichterstattung über sexuelle Auftritte einer Pornodarstellerin das Persönlichkeitsrecht nicht verletzt wird (BGH, Urteil vom 25.10.2011, VI ZR 332/09). Da in diesem Fall der Intimbereich durch die Rechtsträgerin selbst öffentlich zur Schau gestellt wurde, konnte sie sich nicht auf den Schutz der Privat- oder Imtimsphäre berufen. Der öffentliche Lebensbereich der Rechtsträgerin ist dann nicht als Privatsphäre geschützt, sondern die Tatsachen sind der Sozialsphäre zuzurechnen. Es kommt demnach immer auf den Einzelfall an.

Wahre Tatsachenbehauptungen aus dem sozialen Lebensbereich (z. B. Umstände, die sich auf die berufliche Sphäre beziehen), müssen hingegen grundsätzlich hingenommen werden. So hatte dies zutreffend z. B. das Bundesverfassungsgericht im Fall einer Internetbewertung entschieden (BVerfG, Beschluss vom 29.06.2016, 1 BvR 3487/14). Ein Mieter hatte in diesem Fall nicht nur den Vermieter schlecht bewertet, sondern im Kommentar auch über dessen finanziellen Schwierigkeiten mit Angabe des Namens berichtet. Zwar beeinträchtigt diese negative Bewertung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Vermieters. Das Bundesverfassungsgericht nahm aber an, dass der erlittene Schaden des Vermieters nicht unverhältnismäßig groß war und der Meinungsfreiheit deshalb letztlich der Vorrang einzuräumen sei. Im Falle der Behauptungen aus der Sozialsphäre überwiegt also in aller Regel die Meinungsfreiheit und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Äußerung über andere ist somit immer eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und den Rechten des Betroffenen erforderlich. Große Rolle spielt dabei aber auch, wie auch im eben genannten Fall, das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Je geringer das öffentliche Interesse an der Verbreitung der Wahrheit ist, desto mehr Schutz genießt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen. Das Behaupten oder Verbreiten von wahren Tatsachen kann gemäß der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts verboten werden, wenn dies Persönlichkeitsschäden verursacht, die außer Verhältnis zu dem Interesse der Öffentlichkeit an der Verbreitung der Wahrheit stehen (BVerfG, Beschluss vom 29.06.2016, 1 BvR 3487/14). Damit negative Äußerungen über andere in solchen Fällen zulässig sind, muss sich der Eingriff durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Allgemeinheit rechtfertigen lassen.

Von entscheidender Bedeutung kann auch die Rolle des Betroffenen in der Gesellschaft sein. Zu Politikern zum Beispiel besteht im Vergleich zu Privatpersonen oft ein gesteigertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Da der Informationswert solcher Äußerungen zu Personen des öffentlichen Lebens für die Allgemeinheit häufig recht hoch ist, sind solche Äußerungen oft erlaubt, sogar wenn sie das Privatleben betreffen.

Ein Bericht, in dem eine bisher vor der Öffentlichkeit geheim gehaltene Liebesbeziehung eines Prominenten preisgegeben wurde, betrifft die Privatsphäre bzw. Intimsphäre und ist deshalb regelmäßig stärker als Freiheit der Berichterstattung zu gewichten. Ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht hier regelmäßig nicht. Siehe z. B. BGH, Urteil vom 02.05.2017, VI ZR 262/16.

Zusammenfassung: Es ist also immer das Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Persönlichkeit mit dem Recht auf Meinungsfreiheit des sich Äußernden abzuwägen. Wahre Berichterstattungen aus den Bereichen der Privatsphäre und Intimsphäre sind regelmäßig zu unterlassen. Zutreffende Berichterstattungen aus dem Bereich der Sozialsphäre sind hingegen grundsätzlich zulässig, auch wenn sie für den Betroffenen negativ wirken. Personen des öffentlichen Lebens (z. B. Politiker) müssen wegen des gesteigerten Informationsinteresses der Allgemeinheit mehr hinnehmen als Privatpersonen.