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BGH: Leistungsschutzrecht an einzelnen Lichtbildern eines Films umfasst ein Recht auf Verwertung der Einzelbilder in Form des Films

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat vor kurzem durch Urteil entschieden, dass das Leistungsschutzrecht aus § 72 Abs. UrhG an einzelnen Lichtbildern zu dokumentarischen Filmaufnahmen von einem Fluchtversuch aus der ehemaligen DDR das Recht zur Verwertung der Einzelbilder in Form des Films umfasst (BGH, Urt. v. 06.02.2014 – I ZR 86/12).

Ein Kameramann hatte am 17.08.1962 das Sterben und den Abtransport von Peter Fechter, der bei seinem Fluchtversuch aus der damaligen DDR von Soldaten der Nationalen Volksarmee an der Ostberliner Seite der Berliner Mauer in der Nähe des Checkpoint Charly angeschossen worden war, von der Westberliner Seite der Mauer aus gefilmt. Die Kläger behaupten, der Kameramann habe ihnen die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dieser Filmaufnahme eingeräumt. Die beklagte Rundfunkanstalt habe diese Aufnahme ohne ihre Zustimmung u. a. am 13.8.2010 in der Fernsehsendung „Berliner Abendschau“ ausgestrahlt. Die Kläger haben die beklagte Rundfunkanstalt deshalb mit Schreiben vom 31.08.2010 abgemahnt und sodann Klage auf Unterlassung und Wertersatz erhoben.

Das Landgericht Berlin hatte die Klage in erster Instanz abgewiesen. Die Berufung der Kläger vor dem Kammergericht Berlin war ohne Erfolg geblieben. Das Kammergericht hatte angenommen, die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche seien jedenfalls verwirkt, nachdem der Kameramann über 48 Jahre keine Ansprüche bezüglich seiner Filmaufnahmen vom Fluchtversuch und Tod Peter Fechters geltend gemacht habe, obwohl diese Filmaufnahmen wiederholt vom Rundfunk gesendet worden seien. Google

Der BGH hat das Berufungsurteil des Kammergerichts Berlin teilweise aufgehoben und im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Kammergericht zurückverwiesen. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen Ausstrahlung des Films am 13.8.2010 könne nicht wegen Verwirkung abgewiesen werden. Dem stehe nach Auffassung des BGH entgegen, dass mit einer Verwirkung von Ansprüchen wegen begangener Rechtsverletzungen kein Freibrief für künftige Rechtsverletzungen verbunden ist.

Gegenüber dem Anspruch auf Feststellung der Wertersatzpflicht für unberechtigte Nutzungen der fraglichen Filmaufnahmen kann sich die Beklagte hingegen nach Auffassung des BGH grundsätzlich mit Erfolg auf Verwirkung berufen. Die beklagte Rundfunkanstalt habe mit Blick auf die jahrzehntelange unbeanstandete Nutzung der Filmaufnahmen berechtigt darauf vertrauen dürfen, nicht im Nachhinein auf Wertersatz in Anspruch genommen zu werden. Weil die Verwirkung aber nicht zu einer Abkürzung der relativ kurzen Verjährungsfrist von drei Jahren führen dürfe, seien lediglich bis zum 31.12.2007 entstandene Ansprüche verwirkt, deren Verjährung durch die Klageerhebung im Jahr 2011 nicht mehr habe gehemmt werden können.

Ansprüche der Kläger auf Unterlassung und auf Wertersatz wegen Nutzungen der Filmaufnahme seit dem 01.01.2008 würden nach Ansicht des BGH auch nicht daran scheitern, dass die Filmaufnahme nicht als Filmwerk und die Filmeinzelbilder nicht als Lichtbildwerke geschützt sind, weil es sich dabei lediglich um dokumentierende Aufnahmen und nicht um persönliche geistige Schöpfungen handelt. Denn an den einzelnen Filmbildern besteht nach Auffassung des BGH jedenfalls ein Leistungsschutzrecht aus § 72 Abs. 1 UrhG und dieses Leistungsschutzrecht umfasse auch das Recht zur Verwertung der Einzelbilder in Form des Films.

Das Kammergericht müsse nun auf Grund der Zurückverweisung noch prüfen, ob die Kläger entsprechend ihrer Behauptungen Inhaber der urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dem von der beklagten Rundfunkanstalt gesendeten Filmaufnahmen sind.