Wegen einer rufschädigenden Persönlichkeitsverletzung und eines Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung haben wir unseren Mandanten in einem Verfahren gegen den ehemaligen Bürgermeister einer Gemeinde in Niedersachsen sowie die Gemeinde selbst vertreten, und zwar wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung sowie wegen Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung.
Sachverhalt der Rufschädigung und Persönlichkeitsverletzung
Am 20.12.2020 stand in der vorgenannten Gemeinde eine Abstimmung zu einem Bürgerentscheid über den Erhalt einer Hausfassade an. Unser Mandant, der Kläger in der Sache, bemerkte einige Tage vor der Abstimmung, dass die Abstimmungsunterlagen nicht den gesetzlichen Vorgaben nach dem § 25 der Niedersächsischen Kommunalwahlordnung gerecht wurden. Nach dieser Gemeindeordnung ist es verpflichtend, bei Briefwahlen auf dem Briefumschlag den Hinweis „Porto zahlt Empfänger“ zu vermerken.
Auf den vorliegenden Briefumschlägen wurde jedoch stattdessen „Bitte freimachen“ aufgedruckt, was einen unstreitigen Verstoß gegen die Kommunalwahlordnung darstellte.
Es bestand deshalb die erhebliche Gefahr, dass Bürger aus diesem Grund nicht an der Briefwahl teilnehmen würden, gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Briefwahl unter Pandemie-Bedingungen verstärkt genutzt werden würde.
Streitgegenstand
Unser Mandant beschwerte sich beim Bürgermeister, dem Beklagten in diesem Fall, in einer persönlichen E-Mail über diesen Fehler. Nach der Meinung unseres Mandanten traf den Abstimmungsleiter die volle Verantwortung. Unser Mandant regte an, den Abstimmungsleiter von seinen Aufgaben freizustellen und einen neuen vertrauenswürdigen Abstimmungsleiter zu bestimmen.
Verbreitung der privaten E-Mail unseres Mandanten
Der Beklagte beantwortete die E-Mail unseres Mandanten nicht. Stattdessen verbreitete der damalige Bürgermeister die E-Mail unseres Mandanten, indem er diese an eine Vielzahl von Personen weiterleitete. Zu diesen Personen gehörten unter anderem Verwaltungsausschussmitglieder sowie alle Ratsmitglieder eines nahegelegenen Flecken.
Wie viele Personen die private E-Mail unseres Mandanten tatsächlich vom Bürgermeister weitergeleitet erhalten hatten, ist unserem Mandanten nicht bekannt.
Verlesung der privaten E-Mail unseres Mandanten in der Öffentlichkeit
Neben dieser unerlaubten Weiterleitung der privaten Inhalte der E-Mail unseres Mandanten folgte einen Tag später die Verlesung derselben vor einem Verwaltungsausschuss. Die Verlesung vor allen Anwesenden fand mit der Zustimmung des damaligen Bürgermeisters statt. Unser Mandant wusste zum damaligen Zeitpunkt nichts von der öffentlichen Verlesung und hatte dieser auch nicht zugestimmt. Bei der öffentlichen Verlesung sind auch ausdrücklich der Vor- und Nachname unseres Mandanten als Verfasser der E-Mail genannt worden. Zudem ist im Verwaltungsausschuss die Forderung geäußert worden, dass dem Kläger (unserem Mandanten) wegen seiner – vollkommen harmlosen – E-Mail an den Bürgermeister strafrechtliche Konsequenzen drohen sollten.
Obwohl die E-Mail keinerlei schädigende oder rechtswidrige Inhalte enthielt, verfolgten die Beklagten das Ziel, unseren Mandanten in aller Öffentlichkeit als Straftäter darzustellen. Den unstreitigen Verstoß gegen die Kommunalwahlordnung korrigierten sie hingegen nicht.
Abstimmung über strafrechtliche Konsequenzen vor Schaumburger Presse
Selbst nachdem die Abstimmung zum Bürgerentscheid über den Erhalt einer Fassade bereits stattgefunden hatte, ließen die Beklagten nicht von der öffentlichen Rufschädigung unseres Mandanten ab. Die Beklagtenseite hatte die gesamte Schaumburger Presse zu einer weiteren öffentlichen Ratssitzung eingeladen. In dieser Sitzung ist bei Anwesenheit des Bürgermeisters in aller Öffentlichkeit diskutiert worden, ob gegen unseren Mandanten wegen seiner – vollkommen berechtigten und harmlosen – E-Mail-Strafanzeige wegen Beleidigung gestellt werden sollte. Diese E-Mail unseres Mandanten ist dabei erneut öffentlich verlesen worden. In Anwesenheit des Klägers stimmten die Ratsmitglieder mit 10 Ja-Stimmen zu 2 Enthaltungen für das Stellen einer Strafanzeige gegen unseren Mandanten wegen Beleidigung. Die eingeladene Schaumburger Presse berichtete über diese Entscheidung in ausführlicher Weise.
Tatsächlich hatte die Beklagtenseite nach der Abstimmung jedoch niemals Strafanzeige gegen unseren Mandanten gestellt. Schließlich war ihm ja auch nichts vorzuwerfen.
Die Beklagten verfolgten lediglich das krude Ziel, unseren Mandanten in aller Öffentlichkeit vorzuführen und zu diffamieren, nicht aber, das Beschreiten eines strafrechtlichen Weges konkret zu verfolgen.
Anwaltliches Abmahnschreiben
Wir mahnten im Namen unseres Mandanten die Beklagtenseite ab. Die Beklagtenseite sollte es unterlassen, weiterhin die personenbezogenen Daten unseres Mandanten aus der damaligen E-Mail unseres Mandanten an den Bürgermeister zu verarbeiten und diese E-Mail an dritte Personen weiterzuleiten. Die Beklagtenseite sollte es auch unterlassen, die E-Mail unseres Mandanten öffentlich zu verlesen und über eine angebliche Strafbarkeit des Verhaltens unseres Mandanten öffentlich abzustimmen. Zudem forderten wir von der Beklagtenseite die Zahlung einer Geldentschädigung an unseren Mandanten wegen immaterieller Schädigung. Die Beklagtenseite lehnte die Erfüllung unserer Ansprüche ab.
Unterlassungsanspruch unseres Mandanten
Der Unterlassungsanspruch unseres Mandanten ergibt sich nach allgemeiner Meinung aus dem Löschungsanspruch, der in Art. 17 der DSGVO geregelt ist. Die E-Mail unseres Mandanten enthielt personenbezogene Daten, die der Beklagte (Bürgermeister) verarbeitete, indem er die Mail an eine Vielzahl anderer Personen weiterleitete. Gemäß § 4 Nr. 2 der DSGVO ist unter der Verarbeitung personenbezogener Daten neben Vorgängen wie Erhebung, Erfassung oder Speicherung, auch die Offenlegung durch Übermittlung und Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung gefasst. Unser Mandant hatte dem Beklagten keine Erlaubnis erteilt, seine private E-Mail an dritte Personen weiterzuleiten. Offenkundig hatte er auch der öffentlichen Abstimmung über seine strafrechtliche Verfolgung nicht zugestimmt. Ein Rechtfertigungsgrund für die Gemeinde lag nicht vor. Der Bürgermeister hätte schlicht öffentlich auf den Fehler in den Briefwahlunterlagen hinweisen können. Es war zur Beseitigung des Fehlers in den Briefwahlunterlagen keineswegs notwendig, die private E-Mail unseres Mandanten öffentlich zu verlesen.
Geldentschädigungsanspruch unseres Mandanten
Der Geldentschädigungsanspruch unseres Mandanten gegen die beiden Beklagten wegen immaterieller Schädigung ergibt sich im vorliegenden Fall insbesondere aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO i.V.m. Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Dafür ist keine besonders schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts unseres Mandanten Voraussetzung.
Wie hoch kann die immaterielle Schädigung unseres Mandanten bemessen werden?
Um die Frage zu erklären, wie hoch die Geldentschädigung für unseren Mandanten bemessen werden sollte, um die immateriellen Schädigungen unseres Mandanten auszugleichen, können im vorliegenden Fall einige Aspekte besonders zugunsten unseres Mandanten berücksichtigt werden:
Zunächst sind die beklagten Personen Amtsträger oder Gebietskörperschaften, die an Recht und Gesetz gebunden sind. Entgegen ihrer Gebundenheit an Recht und Gesetz haben sie eine E-Mail mit personenbezogenen Daten an eine Vielzahl von Personen weitergeleitet und sie zudem ohne Zustimmung des Betroffenen (unseres Mandanten) im öffentlichen Raum in Anwesenheit der von der Beklagtenseite eingeladenen Presse verlesen. Zudem hatte die Beklagtenseite vor versammelter Presse und in Abwesenheit unseres Mandanten darüber abgestimmt, ob gegen unseren Mandanten auf Grund dessen – vollkommen harmloser – E-Mail an den Bürgermeister wegen der fehlerhaften Briefwahlunterlagen Strafanzeige wegen Beleidigung gestellt werden sollte. Dieser Gesamtvorgang war unserem Mandanten hochgradig unangenehm. Aufgrund der erheblichen Beeinträchtigungen unseres Mandanten hält unser Mandant eine Geldentschädigung von mindestens 5.000 Euro für angemessen.
Klageverfahren vor dem LG Bückeburg und Berufungsverfahren vor dem OLG Celle
Das anschließende Gerichtsverfahren lief in erster Instanz vor dem Landgericht Bückeburg und in der zweiten Instanz im Berufungsverfahren vor dem OLG Celle. Über Inhalt und Ausgang dieses Verfahrens wollen wir Stillschweigen wahren. Dieser Fall mag aber verdeutlichen, dass sich Bürger durchaus effektiv gegen Amtsträger und die hoheitliche Staatsgewalt zur Wehr setzen können.