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OLG Bamberg: Pressefreiheit setzt sich gegen Persönlichkeitsrecht eines Mediziner-Ehepaares durch (Az. 4 U 64/17)

Am 03.07.2017 fand vor dem OLG Bamberg in zweiter Instanz eine mündliche Verhandlung zu einem Eilverfahren statt, zu der unter anderem auch der Bayerische Rundfunk (BR) erschienen war. Die Fernsehanstalt hatte sich vorab extra vom Gericht eine Drehgenehmigung eingeholt, um auch im Gerichtsgebäude drehen zu dürfen.

Unser Mandant in diesem Eilverfahren ist ein wissenschaftlicher Journalist, der im Internet seine eigene, sehr erfolgreiche Online-Zeitschrift publiziert. Er berichtet dort regelmäßig über Fehlentwicklungen an Kliniken, über gescheiterte Operationen, die von Klinken oftmals trotzdem als Erfolg verkauft werden, sowie z. B. über Ärzte, die mit zweifelhaften neuen Behandlungsmethoden unmittelbar an menschlichen Patienten experimentieren.

Unser Mandant publizierte in seiner Online-Zeitschrift mehrere Zeitungsartikel über ein Ehepaar, das zusammen eine neue Operationsmethode zur Transplantation bioartifizieller, aus Schweinedarm hergestellter Luftröhren entwickelt hatte. Der Ehemann nahm nachfolgend die Operationen vor. Die Patienten, denen diese aus Schweinedarm hergestellten Luftröhren eingesetzt worden sind, sind nachfolgend alle verstorben. Es war unter anderem streitig, ob die durchgeführten Operationen den Tod der Patienten verursacht bzw. beschleunigt hatten. Bei einem Patienten war die implantierte Luftröhre nach kurzer Zeit im Körper des Patienten verrottet. Dieser Patient starb dann nachfolgend an inneren Massenblutungen. Bei einem anderen Patienten musste nachfolgend erneut ein Luftröhrenschnitt erfolgen, um den Patienten vor dem Erstickungstod zu bewahren. Aus Scham über das Loch in seinem Hals beging der Patient später Selbstmord.

Das Ärzte-Ehepaar griff in diesem Eilverfahren mehrere Passagen in den Zeitungsartikeln unseres Mandanten an. Insbesondere ging es um die Frage, ob die Operationen den Tod der Patienten verursacht hatten und den Patienten Leid zugefügt hatten. Das Ärzte-Ehepaar fürchtete um seinen guten Ruf und berief sich auf eine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Das Landgericht Würzburg (Az. 12 O 2203/16) gab dem Ärzte-Ehepaar in erster Instanz noch überwiegend Recht und verfügte die Löschung wesentlicher Teile aus dem betreffenden Zeitungsartikel.

Auf unsere Berufung hin stellte das OLG Bamberg in der mündlichen Verhandlung klar, dass es das Urteil des Landgerichts Würzburg aufheben müsse, weil bereits der Tenor (Urteilsausspruch) des erstinstanzlichen Urteils nicht zutreffend sei. Zudem betonte das OLG Bamberg, dass bei dem Ärzte-Ehepaar allenfalls die Sozialsphäre betroffen sei. Das Ehepaar hatte sich selbst an die Öffentlichkeit gewandt und Interviews zu seiner – angeblich erfolgreichen – Behandlungsmethode gegeben. Insofern müssen diese dann auch in weitem Umfang mit Kritik aus der Presse, den Medien und der Öffentlichkeit rechnen und damit leben. Der grundgesetzliche Schutz der Pressefreiheit, Medienfreiheit, Meinungsfreiheit sowie der Informationsfreiheit der Allgemeinheit überwiegt insofern die persönlichkeitsrechtlichen Belange der Kläger an ungestörtem Arbeiten.

Das OLG Bamberg regte nachfolgend – unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Würzburg – eine gütliche Einigung unter den Parteien an. Die Parteien folgten letztendlich – nach mehrstündiger Verhandlung – dem Einigungsvorschlag des OLG Bamberg. Unser Mandant darf – selbstverständlich – weiterhin frei berichten und verpflichtete sich – ohne Anerkennung irgendeiner Rechtsverletzung in der Vergangenheit – lediglich aus Kulanz zur Unterlassung bestimmter ganz konkreter Aussagen zu unwesentlichen Fragen, die er ohnehin bereits von seiner Webseite gelöscht hatte. Die gütliche Einigung unter den Parteien beendete damit endgültig den Rechtsstreit unter den Parteien, so dass ein Hauptsacheverfahren nicht mehr stattfinden muss.

Die Medien, einschließlich der Bayerische Rundfunk (BR) werden – losgelöst von vorliegenden Fall – weiter zu in der Vergangenheit stattgefundenen Fällen von Experimenten unmittelbar am menschlichen Patienten berichten.