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OLG Frankfurt am Main: Rufausnutzung durch Nachahmung einer Damenhandtasche

Das OLG Frankfurt am Main hatte vor kurzem die Frage zu entscheiden, in welchem Umfang eine seit vielen Jahren mit großem Erfolg vertriebene Damenhandtasche (hier: Falttasche) unter dem Gesichtspunkt der Rufausnutzung gegen Nachahmungen geschützt ist. Das OLG Frankfurt am Main urteilte im vorliegenden Fall, dass die Falttasche der Antragsgegnerin die Wertschätzung der bei Kunden sehr bekannten Falttasche der Antragstellerin unangemessen ausnutze. Nach Auffassung des OLG Frankfurt am Main handelte die Antragsgegnerin damit unlauter im Sinne des § 4 Nr. 9 lit. b Fall 1 UWG (OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 27.06.2013 – Az.: 6 U 27/13).

Die Antragstellerin verlangte im vorliegenden Eilverfahren Unterlassung der Bewerbung eines bestimmten Handtaschenmodells durch die Antragsgegnerin. Die Handtasche der Antragsgegnerin ahme einen von der Antragstellerin seit mehreren Jahren erfolgreich vertriebenen „Handtaschenklassiker“ nach. Das OLG Frankfurt am Main gab der Antragstellerin Recht und bejahte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 lit. b Fall 1 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb)Google

Dem Taschenmodell der Antragstellerin komme wettbewerbliche Eigenart zu. Ein Erzeugnis besitze dann wettbewerbliche Eigenartwenn dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Die Tasche der Antragstellerin weise nach Auffassung des OLG Frankfurt am Main Merkmale auf, die in ihrer Kombination besonders und originell wirken. Die Merkmalskombination sei durch die Trapezform, den Reißverschluss an der Oberseite, den reizvollen Material- und Farbkontrast eines Taschenkorpus aus Nylon einerseits und Besatzstücken und Henkel aus Leder andererseits, den Lederüberwurf und die Faltbarkeit gekennzeichnet. Das OLG Frankfurt am Main betrachtete es als unerheblich, dass jedes einzelne dieser Merkmale auch im wettbewerblichen Umfeld der Falttasche zu finden sei. Entscheidend für den Gesamteindruck sei die Kombination der Gestaltungsmerkmale, wenn sie auch jeweils für sich genommen vorbekannt und geläufig sein mögen.

Das OLG Frankfurt am Main widersprach auch der Auffassung der Antragsgegnerin, die wettbewerbliche Eigenart sei jedenfalls nachträglich durch das später entstandene Marktumfeld mit einer Vielzahl ähnlicher Produkte entfallen. Von einem Verlust der wettbewerblichen Eigenart ist nach Auffassung des OLG Frankfurt am Main auch beim Vorhandensein zahlreicher Kopien auf dem Markt nicht auszugehen, solange der Verkehr noch zwischen dem Original und den Nachahmungen unterscheidet. Im vorliegenden Fall stellte das Gericht fest, dass die hier maßgeblichen Verkehrskreise die Falttasche der Antragstellerin ohne weiteres von Fälschungen unterscheiden konnten.

Das OLG Frankfurt am Main stellte ferner fest, dass das in der Werbeanzeige abgebildete Taschenmodell der Antragsgegnerin als Nachahmung einzustufen ist. Es weise hinreichende Ähnlichkeiten auf. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit komme es auf die Gesamtwirkung der einander gegenüberstehenden Produkte an. Denn der Verkehr nehme ein Produkt in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen wahr, ohne es einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen. Es sei weiter der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die in Rede stehenden Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnehme und miteinander vergleiche, sondern seine Auffassung auf Grund eines Erinnerungseindrucks gewinne, in dem die übereinstimmenden Merkmale stärker hervortreten als die unterscheidenden.

Es konnte nach Auffassung des OLG Frankfurt am Main dahingestellt bleiben, ob zudem auch die Voraussetzungen einer Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 9 lit. a UWG erfüllt sind. Es liege jedenfalls eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung nach § 4 Nr. 9 lit. b Fall 1 UWG vor. Unstreitig genieße die Falttasche der Antragstellerin einen überragend hohen Bekanntheitsgrad. Sie verfüge über einen entsprechend guten Ruf. Die Annährung der Tasche der Antragsgegnerin gehe über das bloße Erwecken von Assoziationen hinaus. Bei Gesamtwürdigung aller Umstände stelle sich die Bewerbung der streitgegenständlichen Falttasche damit als unlauter dar. Die Falttasche der Antragstellerin genieße einen hohen Grad an wettbewerblicher Eigenart. Sie habe damit auch einen weiten Schutzbereich. Die Anforderungen an den Grad der Nachahmung und die besonderen Umstände, die die Unlauterkeit begründen, seien deshalb entsprechend geringer. Es sei davon auszugehen, dass dem Verkehr bekannte Erzeugnisse eher in Erinnerung bleiben würden, so dass das Publikum deshalb auch eher in einer Nachahmung das Original wiederzuerkennen glaube. Der Tatbestand der unlauteren Ausnutzung der Wertschätzung setze außerdem keine Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise voraus. Es genüge, dass die Vorstellung der Güte oder Qualität eines bestimmten Produkts auf ein anderes übertragen wird. Dies könne auch auf einer bloßen Annäherung an die fremde Leistung beruhen.

Gegen das Urteil des OLG Frankfurt am Main war in diesem Eilverfahren kein Rechtsmittel mehr möglich.